Die Zeitarbeit - besser als ihr Ruf? Pro und Contra zur Zeitarbeit

Ruf-Zeitarbeit.jpg
11.03.2022
Lesezeit: ~8 Min.

Die Zeitarbeit ist in Deutschland wahrscheinlich die Branche mit dem umstrittensten Ruf. Häufig kursieren Vorurteile bei Arbeitssuchenden und Unternehmen. Viele Menschen, die an die Zeitarbeit denken, haben zuerst schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen oder Ausbeutung im Kopf.

Doch wie viel ist an diesen Vorurteilen noch dran?

Die Zeitarbeit heute hat nichts mehr mit dem Beschäftigungsmodell in den 50er-Jahren, als diese Form der Beschäftigung das erste Mal aufkam, zu tun. Die Zeitarbeit hat sich über die Jahre stark gewandelt, verändert und angepasst – und ist heute ein modernes Mittel der Personalbeschaffung.

Was fehlt, ist das Verständnis der Menschen dafür, dass die Zeitarbeit für viele Menschen eine echte Chance auf dem Arbeitsmarkt darstellt und dass Unternehmen ebenso von der Bereitstellung von Zeitarbeitnehmern profitieren können.

Wir möchten Ihnen in diesem Beitrag die Zeitarbeit näher bringen und auf Pro und Contra des Arbeitsmodells eingehen.

Ein Exkurs in die Geschichte der Zeitarbeit

Die Entstehungsgeschichte der Zeitarbeit ist auf das Jahr 1948 zurückzuführen, wo zwei US-amerikanische Anwälte schnell und befristet Ersatz für ihre erkrankte Sekretärin suchten. Ihnen fiel auf, dass es weitere Branchen gibt, die einen zeitlich begrenzten Bedarf an qualifiziertem Personal haben – daraus entwickelte sich schlussendlich ihre Geschäftsidee und sie gründeten das Unternehmen Manpower.

Das erste Zeitarbeitsunternehmen entstand 1960 in Deutschland und 1972 tritt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) in Kraft und regelt die Zeitarbeit ab sofort rechtsverbindlich.

Von 1985 bis 2003 fällt die zeitliche Beschränkung der Überlassungsdauer Stück für Stück weg und seit einer Gesetzesreform 2017 dürfen Leiharbeitnehmer nur noch höchstens 18 Monate ohne Unterbrechung in ein Unternehmen überlassen werden.

Tarifliche Mindestlöhne für Ost- und Westdeutschland gibt es seit 2012, die je nach Entgeltgruppe festgelegt werden. Selbst die niedrigste Entgeltgruppe (E1) liegt dabei stets über dem gesetzlichen Mindestlohn, der durch den Staat branchenübergreifend festgelegt wurde. Seit April 2021 erhalten alle Leiharbeitnehmer das gleiche Entgelt in ihrer jeweiligen Entgeltgruppe, unabhängig von Ost und West.

Stand Juni 2021 gab es 834.000 beschäftigte Leiharbeiter, was rund 1,85 % der Arbeitnehmer in Deutschland entspricht. Das macht deutlich, dass die Zeitarbeit keinesfalls der Regelfall ist.

Was unterscheidet Zeitarbeit von einem normalen Arbeitsverhältnis?

In unserem Beitrag, etwas ist Arbeitnehmerüberlassung? Das haben wir das Prinzip der Zeitarbeit bereits näher erklärt.

Viele Rahmenbedingungen in einem normalen Arbeitsverhältnis werden in der Zeitarbeit genauso geregelt: Es gibt einen Arbeitsvertrag, Urlaubsanspruch, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherung und vielfach auch Sonderzahlungen sowie Zuschläge. Meistens bringt die Anstellung über eine Zeitarbeitsfirma noch weitere Vorteile mit sich, darauf möchten wir später näher eingehen.

Der wesentliche Unterschied in der Zeitarbeit ist der Arbeitsort, denn Sie sind nicht bei Ihrem Arbeitgeber tätig – dem Personaldienstleister, sondern sind im Einsatz bei einem Kundenunternehmen. Den Arbeitsvertrag schließen Sie mit dem Zeitarbeitsunternehmen (Personaldienstleister, Verleiher) und mit ihm regeln Sie dementsprechend auch alle Formalitäten wie Urlaub und Ihre Lohnzahlung.

Ihr Einsatz in einem Kundenunternehmen darf ohne Unterbrechung maximal 18 Monate andauern, danach verleiht der Personaldienstleister Sie entweder in einen neuen Kundenbetrieb oder Sie werden von dem Kundenunternehmen in eine Festanstellung übernommen.

Leider gibt es trotz des modernen Wandels immer noch schwarze Schafe in der Zeitarbeitsbranche. Die Behörden greifen hier zwar mittlerweile stärker durch, jedoch gibt es bei der Vielzahl an Personaldienstleistern in Deutschland trotzdem Fälle, bei denen Kündigungen unrechtmäßig erfolgen, Sicherheitsunterweisungen nicht stattfinden oder wichtige Arbeitskleidung oder Sicherheitsausrüstung nicht zur Verfügung gestellt wird.

Ebenso liegt zwar der tarifliche Mindestlohn stets über dem gesetzlichen Mindestlohn, dennoch erhalten die Leiharbeitnehmer für die gleichen Tätigkeiten oft weniger als die Stammbelegschaft in den Unternehmen. Der Gesetzgeber versucht hier seit Jahren mithilfe des Equal Pays für Angleichung zu sorgen.

Entscheidungshilfe: Pro und Contra in der Zeitarbeit

Sie überlegen, ob eine Anstellung in der Zeitarbeit das Richtige für Sie ist? Mit unserem Pro und Contra-Aufstellung können wir hier vielleicht eine Entscheidungshilfe für Sie liefern, warum Sie sich guten Gewissens für eine Tätigkeit in der Zeitarbeit entscheiden können.

Pro Zeitarbeit

Einstieg in den Arbeitsmarkt – Fuß in der Tür

Egal, ob Sie Berufs- oder Quereinsteiger sind, ein Elternteil nach der Elternzeit, Wiedereinsteiger nach längerer Ausfallzeit oder von anderer Staatsangehörigkeit – der Arbeitsmarkt benachteiligt viele von den eben genannten. Bei den gerade genannten Fällen ist es oft schwierig, erstmalig oder wieder einen Fuß in die Tür des Arbeitsmarktes zu bekommen. Viele Bewerbungen müssen geschrieben und Vorstellungsgespräche absolviert werden. Die Zeitarbeit kann Ihnen an dieser Stelle Hilfe bei der Suche nach einem passenden Job anbieten sowie auch während Ihres Arbeitsverhältnisses betreuen und sich um einen schnellen Ersatz nach einem beendeten Einsatz bemühen. 

Raus aus der Beschäftigungslosigkeit

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld I ist an gewisse Bedingungen geknüpft und auch dann erhalten Sie dieses nur für einen begrenzten Zeitraum. Sie müssen mindestens 30 Monate zusammenhängend beschäftigt gewesen sein und 12 Monate davon versicherungspflichtig. Dann erhalten Sie 60 % des Nettolohns der vergangenen 12 Monate. Es hängt also davon ab, wie viel Sie vorher verdient haben – da kann das ALG I unter Umständen nicht besonders hoch ausfallen.

Mit einer Beschäftigung in der Zeitarbeit sorgen Sie nicht nur dafür, dass Sie ein regelmäßiges Einkommen haben, sondern auch, dass Sie weiterhin Ansprüche auf ALG I sowie Ihre Rente sammeln.

Übernahmechancen

Je nach Ihren Einsätzen haben Sie die Möglichkeit auf eine Übernahme durch das Kundenunternehmen. Das hängt ganz davon ab, was der Kunde sucht und ob Sie das selbst auch wünschen. Rund 30 % der Zeitarbeitnehmer schaffen je nach Branche den Sprung in die Festanstellung. Immer mehr Arbeitgeber kommen hier auf den Geschmack, denn über die Zeitarbeit lassen sich nicht nur temporäre Auftragsspitzen abdecken, sondern der Personaldienstleister übernimmt auch den zeit- und kostenintensiven Prozess der Personalgewinnung für den Kunden. Gerade im Fachkräftebereich wird zunehmend Personal über die Zeitarbeit gesucht, weil nicht nur der Bewerber einen geringeren Bewerbungsaufwand hat, sondern auch der Kunde sich zurücklehnen und auf passende Kandidatenvorschläge warten kann.

Überbrückung von Leerlaufzeiten

In der beruflichen Laufbahn gibt es immer mal wieder Zeiten, die man überbrücken muss. Sei es zwischen Schulabschluss und Studium bzw. Ausbildung oder auch nachdem man diese erfolgreich absolviert hat und auf der Suche nach dem ersten passenden Job ist.

Die Zeitarbeit bietet für jeden Arbeitssuchenden einen passenden Einsatz, sodass auch Student beispielsweise während ihren Semesterferien über die Zeitarbeit arbeiten können. Damit bekommen Sie nicht nur einen Einblick ins Berufsleben, sondern Sie können auch interessante Kontakte zu potenziellen Arbeitgebern knüpfen.

Qualifikation

Je nach Branche und Bereich sorgen viele Zeitarbeitsunternehmen auch für die Weiterbildung ihrer Leiharbeitnehmer. Beispielsweise im gewerblichen Bereich, wenn bestimmte Qualifikationen wie ein Staplerschein oder die Infektionsschutzbelehrung fehlen, können diese ganz einfach über den Personaldienstleister absolviert werden. Dadurch erhalten Sie nicht nur aktuell gefordertes Wissen, sondern ebnen auch Ihren weiteren beruflichen Weg damit.

Berufserfahrung

Ganz egal aus welchen Gründen Sie schlussendlich in der Zeitarbeit gelandet sind, es ist in jedem Fall eine Bereicherung für Ihre Berufserfahrung. Sei es zur Überbrückung bis zur neuen Festanstellung, das Sprungbrett auf den Arbeitsmarkt oder die berufliche Neuorientierung – in jedem Fall sammeln Sie wertvolle Berufserfahrung.

Zeitarbeit im Lebenslauf ist keineswegs mehr negativ behaftet, denn Sie können bei Ihren zukünftigen Arbeitgebern immer mit viel Berufserfahrung punkten. Vielleicht sorgt eine Anstellung in der Zeitarbeit sogar dafür, dass Sie eine völlig neue Branche oder einen anderen Arbeitsbereich kennenlernen und in diesem Fuß fassen möchten. Im Alleingang wäre das wahrscheinlich nur schwer möglich gewesen, da niemand für Ihre Initiative und Ihre Motivation bürgt. Starten Sie über einen Personaldienstleister in einen branchenfremden Job, haben Sie immer die Möglichkeit, einen neuen Einsatz anzutreten.

Contra Zeitarbeit

Wechselnde Einsätze

In der Regel sind Sie nicht jeden Tag in einem neuen Einsatz in einem anderen Kundenunternehmen – aber es kann schon dazu kommen, dass Sie regelmäßig wechselnde Einsätze absolvieren müssen. Wenn Sie also einen festen Arbeitsplatz mit gleichbleibenden Rahmenbedingungen suchen, dann passt die Zeitarbeit mit Ihrem Anspruch an Flexibilität nicht unbedingt zu Ihnen. Es besteht allerdings in jedem Fall die Möglichkeit im Vorfeld mit dem betreuenden Personaldisponenten zu sprechen, dass Sie vorrangig an längerfristigen Einsätzen interessiert sind. Solche Einsätze sind dann auch meistens mit einer Übernahme durch den Kunden gekoppelt – sofern es für beide Seiten passt.

Gehalt

Wie bereits erwähnt kann es passieren, dass Sie in der Zeitarbeit weniger verdienen als die Stammbelegschaft im Kundenunternehmen. Besonders in Helfer oder Anlerntätigkeiten werden Sie höchstwahrscheinlich in der Entgeltgruppe 1 landen, welcher allerdings immer noch über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt. Das sollten Sie sich bewusst machen, denn die Zeitarbeit bietet gerade Quereinsteigern und Helfern eine berufliche Chance. Entsprechend Ihrer verrichteten Tätigkeiten dürfen Sie dann auch ein Gehalt erwarten.

Mobilität

Durch häufiger wechselnde Einsätze, besonders in strukturschwachen Regionen, ist häufig die eigene Mobilität eine Voraussetzung in der Zeitarbeit. Sie müssen pünktlich zu Ihren Arbeitszeiten im Einsatzunternehmen sein und nicht immer ist dieses mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar oder Ihr Arbeitsbeginn ist außerhalb der Fahrzeiten, weil Sie beispielsweise in Schichten arbeiten.

Aber auch hier kann Abhilfe verschafft werden: Sprechen Sie sich beispielsweise mit Arbeitskollegen aus dem Unternehmen ab, vielleicht kommt einer von Ihnen aus derselben Richtung wie Sie und Sie können Fahrgemeinschaften bilden. Besonders in Kundenbetrieben, in denen viele Leiharbeiter eingesetzt werden, kommt das häufig vor. Mittlerweile bieten auch immer mehr Personaldienstleister einen eigenen Fahrservice an, bei dem gegen eine vereinbarte Gebühr die Zeitarbeitnehmer ohne Führerschein oder eigenes Auto zu Ihren Einsätzen gebracht werden. Das findet natürlich entsprechenden Anklang, denn so wird vonseiten des Zeitarbeitsunternehmens gewährleistet, dass die Mitarbeiter immer pünktlich im Unternehmen abgeliefert werden.

Vorurteile

Während es viele Arbeitnehmer gibt, die eine Anstellung in der Zeitarbeit ablehnen, gibt es leider auch viele Arbeitgeber, die diesem Beschäftigungsmodell skeptisch gegenüberstehen. Hier ist es Aufgabe des Zeitarbeitsunternehmens, mit guter Beratung und Betreuung zu überzeugen – aber es natürlich auch von der Zuverlässigkeit und dem Engagement jedes Leiharbeitnehmers abhängig. Aber auch solche Arbeitgeber werden immer weniger, denn die Zeitarbeit bringt insgesamt deutlich mehr Vorteile für das Kundenunternehmen mit sich.

Fazit: Zeitarbeit eröffnet Berufschancen

Dass die Zeitarbeit nicht für Jeden geeignet ist, sollen wir gar nicht abstreiten. Wenn Sie über eine Anstellung in der Zeitarbeit nachdenken, sollten Sie eine gewisse Flexibilität und Freude am Umgang mit vielen verschiedenen Menschen und neuen Aufgaben mitbringen. In der Zeitarbeit kann es zu wechselnden Einsätzen kommen, das sollten Sie sich bewusst machen. Allerdings können Sie viele Erfahrungen und wichtige Erkenntnisse sammeln, zum Beispiel in welchem Beruf Sie sich langfristig eine Tätigkeit vorstellen können.

Sie können die Zeitarbeit als Sprungbrett aus der Beschäftigungslosigkeit heraus oder in eine völlig neue Branche nutzen. Durch einen Personaldienstleister erhalten Sie womöglich schneller die Möglichkeit, an Weiterbildungen teilzunehmen. Davon haben Sie beide etwas: Das Zeitarbeitsunternehmen kann besser qualifiziertes Personal vermitteln und Sie haben wertvolle Kenntnisse dazugewonnen und Ihre persönliche Qualifikation erweitert. Diese Win-win-Situation ist ebenfalls ein klares Pro für die Zeitarbeit.

Nach unserer Auffassung überwiegen die Vorteile der Zeitarbeit als Beschäftigungsmodell. Wie immer gilt: Es gibt in jeder Branche und jedem Wirtschaftsbereich schwarze Schafe und eine schlechte Erfahrung muss nicht das Aus für die gesamte Branche bedeuten.

Sie sind auf der Suche nach einem neuen Job und können sich nun eine Anstellung in der Zeitarbeit vorstellen?

Dann jetzt Jobs in der Zeitarbeit finden!

Jobsuche