Anonyme Bewerbung: Chancen und Kritik

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07.01.2019
Lesezeit: ~2 Min.

Die Jobsuche ist auch immer mit einigem Glück (oder eben Pech) verbunden. Damit ist nicht nur die richtige Stellenausschreibung zum passenden Zeitpunkt gemeint, sondern auch das subjektive Empfinden des Personalers, der die Bewerbung in Empfang nimmt.

Häufiger als gedacht entscheiden dabei Vorurteile. Das kann schon beim Geschlecht des Bewerbers beginnen (Frauen könnten schwanger werden), mit dem Alter weitergehen (ein älterer Bewerber bewegt sich nur in eingefahrenen Bahnen) und bei der Nationalität aufhören (Bewerber mit Migrationshintergrund haben es häufig schwerer auf dem Arbeitsmarkt).

Dabei soll keinesfalls den Personalern böser Wille unterstellt werden. Viele Vorurteile sind so tief verankert, dass sie subjektiv als solche gar nicht mehr erkennbar sind. Das Konzept, eine Situation in eine bestimmte „Schablone“ einzuordnen und entsprechend zu bewerten, soll uns eigentlich helfen, Informationen besser zu verarbeiten - was jedoch erfahrungsgemäß zur Diskriminierung führen kann.

Um zumindest auf dem Arbeitsmarkt die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Diskriminierung zu mindern, gibt es das anonymisierte Bewerbungsverfahren, das in jedem Unternehmen angewendet werden kann.

Die anonyme Bewerbung – was steckt dahinter?
In einer anonymen Bewerbung sollen Bewerber ausschließlich ihre Leistungen präsentieren. Personenbezogene Merkmale werden bei dem Bewerbungsschreiben und dem Lebenslauf rausgelassen oder von dem Unternehmen beim Eingang geschwärzt.

Dazu gehören Angaben wie:

  • Bild

  • Name

  • Geschlecht

  • Geburtsdatum

  • Herkunft

  • Familienstand

Die Kandidaten sollen demnach ausschließlich nach Leistung bewertet werden. Auf diese Weise, so zumindest das Ziel, haben einige Bewerbergruppen eine bessere Chance auf einen Job, die andernfalls bereits in der ersten Phase evtl. aussortiert würden.

Versuchsreihen zu dem Thema, in denen Bewerbungen an ein Unternehmen geschickt wurden - eine mit deutschem Namen, eine mit bspw. einem türkischen Namen –, gibt es zuhauf. Das Ergebnis: Die Schreiben unter deutschem Namen bekamen eine deutlich bessere Resonanz bei gleichwertiger Qualifikation.

Vor- und Nachteile der anonymen Bewerbung

Zu den Vorteilen dieses Verfahrens gehört offensichtlich die Berücksichtigung von geeigneten Kandidaten, die andernfalls aussortiert würden. Weiterhin positiv anzumerken ist außerdem:

  • Schnelleres Verfahren, da die relevantesten Infos komprimiert und gut vergleichbar dargestellt werden

  • Erschließung neuer Bewerbergruppen

Trotz dieser Vorteile hat sich das anonymisierte Bewerberverfahren bekanntlich nicht in Deutschland durchgesetzt. Es gab mehrere entsprechende Versuchsreihen wie die der Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2011, an denen sogar große Unternehmen wie Deutsche Telekom oder Deutsche Post teilnahmen. Diese verpflichteten sich, ein Jahr lang ausschließlich anonyme Bewerbungen zu sichten. Ein einziges Unternehmen – Mydays – behielt dies nach dem Versuch für einige Stellen bei.

Dass sich so viele Unternehmen weigern, diese Verfahren einzusetzen, begründet sich in Kritik und Nachteilen.

Dazu gehören folgende Punkte:

  • Persönlichkeit geht verloren: Kritiker merken an, dass die Auswahl, beruhend allein auf den Leistungen einer Person, nicht aussagekräftig und auch nicht wünschenswert sei. Individualität ist das, was ein „buntes“ Unternehmen ausmacht.

  • Kann auch positive Diskriminierung verhindern: Wenn ein Unternehmen bereits Maßnahmen gegen Diskriminierung im Bewerbungsverfahren ergriffen hat, können sie diese womöglich nicht weiterverfolgen, da sie nicht bspw. gezielt Frauen aussuchen können. Dabei ist aber zu beachten: Eine Abwandlung an dieser Stelle wäre denkbar, in dem alle Angaben außer dem Geschlecht geschwärzt werden.

  • Höherer Aufwand: Entweder muss ein entsprechendes Formular entworfen werden, das Bewerber ausfüllen, oder es müssen die eingehenden Bewerbungen geschwärzt werden.

  • Aufschub der Diskriminierung: Einige behaupten, dass die Aussortierung aufgrund Vorurteilen lediglich in die nächste Runde verschoben wird, in dem der Bewerber zwangsläufig im Gespräch dem Unternehmen persönlich gegenübertreten muss.

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